Vor sozusagen „ausverkauften Rängen“ in der Gaststätte Haus Stockhorst konnte letzte Woche der langjährige DFB-Schiedsrichter Lutz Wagner im Rahmen des AgrarForum Westmünsterland referieren. Zum Vortrag mit dem Titel „Entscheiden in Stresssituationen“ hatten der Landwirtschaftliche Kreisverband, die Landwirtschaftskammer NRW und die Genossenschaftsbanken im Kreis Borken nach Rhede-Vardingholt eingeladen. Die rund 180 Anwesenden konnten in einem „mitreißenden Spiel“ erfahren, was es für gute und akzeptierte Entscheidungen von Schiedsrichtern braucht und was Landwirte davon lernen können.
Immer wieder überraschend für viele Zuhörer waren die Parallelen, die der Leiter der DFB-Schiedsrichter-Ausbildung zwischen Schiris und Bauern aufzeigte. Als entscheidend für eine gute Entscheidung nannte der Hesse das Erkennen des vorhandenen Zeitfensters: „Wenn Sie zu lange abwägen, wird ihre Entscheidung nicht mehr akzeptiert, selbst wenn Sie in der Sache richtig liegen. Wenn Sie zu schnell entscheiden, laufen Sie Gefahr, wichtige Grundlagen nicht miteinbeziehen zu können.“ Auch in diesem Zusammenhang besitze das bekannte Pareto-Prinzip seine Gültigkeit: „80 Prozent an Kenntnis über die konkreten Umstände reichen in der Regel für eine gute Entscheidung aus.“
„Entscheiden kann man üben“, machte Wagner seinem Publikum dabei immer wieder Mut. Konkret üben konnten alle Anwesenden das mithilfe der gelben und roten Original-Schiedsrichter-Karten, die auf allen Plätzen auslagen. So konnte sich jeder in der Entscheidungsfindung selbst auf die Probe stellen, in dem Wagner sein Publikum mit kurzen Videosequenzen zur Bewertung mithilfe der Karten aufforderte. Dies sorgte immer wieder für Erheiterung. Und: Hier lag selbst ein Profi im Publikum nicht immer richtig: Sören Storks aus Velen hatte es sich an seinem Geburtstag nicht nehmen lassen, den Ausführungen seines Schiedsrichter-Ausbilders beim DFB zu lauschen. Andre Schaffeld, neuer Agrarsprecher der Genossenschaftsbanken im Kreis Borken, durfte dem Neu-Bundesliga-Schiedsrichter in seiner Begrüßung gratulieren.
„Einen guten Entscheider erkennt man daran, wie gut er in der Lage ist, eine umstrittene Entscheidung zu verkaufen“, so Wagner am Ende seiner 45-minütigen Ausführungen. Als Beispiel verglich er zwei Top-Schiedsrichter seiner eigenen aktiven Zeit: den Deutschen Wolfgang Stark und den Italiener Pierluigi Collina. Letzterer galt in der öffentlichen Wahrnehmung stets als erfolgreicher, obwohl Stark vom Anteil korrekt getroffener Entscheidungen regelmäßig der bessere gewesen sei, stellte Wagner fest und brachte es auf die Formel: „Die Ware muss stimmen, die Verpackung aber auch.“ An diesem Abend in Rhede passte beides gut zusammen.