Mit einem Hofbesuch der vier Eingangsklassen der Piusgrundschule Krechting ist das Projekt „Lernort Bauernhof erfahren“ offiziell gestartet. Ab sofort können Schulklassen im gesamten Kreis Borken kostenfrei Höfe besuchen und Buskostenzuschüsse abrufen. Dass dieses Angebot wertvolle Erfahrungen ermöglicht, kann man den Schulkindern bei ihrer Erkundung des landwirtschaftlichen Betriebs Overkämping in Rhede deutlich anmerken.
Es ist eigentlich nur ein Acker. 40 Kinder wuseln johlend herum. Alle sind in Aktion. Mit
nichts anderem als einer Mistgabel und den bloßen Händen buddeln sie im Boden und fördern Lebewesen zu Tage, die einige Kids noch nie in natura gesehen haben. Ein Mädchen jubelt laut: „Ich habe einen Regenwurm gefunden.“ Dann die Erkenntnis: „Fühlt sich feucht an. Hat der jetzt Pipi gemacht oder was? Ach nein, der leckt nur meine Hand ab.“ Betriebsleiter Rainer Overkämping lacht und ergänzt: „Darf ich vorstellen: Das ist einer meiner besten Mitarbeiter. Würmer wie dieser hier lockern und belüften den Boden. Sie bauen außerdem die Nährstoffe in der Erde so um, dass der Acker fruchtbarer ist und unsere Pflanzen hier besser wachsen können.“ Offene Münder. Und plötzlich bekommt das feuchte Tierchen auf der Hand Ähnlichkeit mit einem Superhelden.
Vom Greifen zum Begreifen. Ein Ansatz, der auch in der Bildung für nachhaltige Entwicklung an Schulen eine wichtige Rolle spielt, stellt Pädagogin Sandra Renzel heraus, die im Bildungsbüro des Kreises für diesen Themenbereich zuständig ist: „Wir merken, dass Zusammenhänge immer mehr verloren gehen und unseren Kinder einigen Erfahrungswelten der vorangegangenen Generationen fehlen. Und nirgendwo lernt man besser, woher unser Essen kommt und was es dazu braucht, als auf dem Bauernhof.“ Pius-Lehrerin Doris Haveresch-Brinkmann nickt und ergänzt: „Wir haben den Besuch natürlich auch thematisch im Unterricht vorbereitet. Aber hier erleben die Kinder viel unmittelbarer, was es zum Beispiel heißt, dass Tiere auch als Nutztiere gehalten werden und welche Vielfalt der Beruf des Landwirts mit sich bringt.“ Davon können sich die Kinder beim Blick in den Hähnchenstall oder beim Marsch über die Legehennen-Wiese überzeugen. Immer wieder nimmt Overkämping Tiere auf den Arm und lässt die Kinder streicheln. Dass ein Bauernhof aber nicht nur ein Streichelzoo ist, lernen die Kinder auch auf der Hühnerweide. Zwischen dem Federvieh laufen auch drei Ziegen. Ob die sein Freizeitvergnügen sind, wird der Bauer gefragt. „Ja, auch“, antwortet Overkämping, „Aber in erster Linie sind das die Bodyguards unserer Hühner gegen den Fuchs und den Marder.“ Kurzes Schweigen in der Kinderrunde. Ganz schön viel Realität für einen Morgen.
Dass der Bauernhof viele Chancen als außerschulischer Lernort biete, sei vielen Lehrkräften sehr wohl klar, berichtet Projektkoordinator Ulrich Schäpers vom Kreisverband Borken im Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband (WLV). Aber im übervollen Schulalltag scheitere die Exkursion auf den Hof häufig an organisatorischen Hürden. Und eben auch am lieben Geld für den Bus. Die Gruppe der Genossenschaftsbanken im Kreis Borken wolle da als Projektpartner für „Lernort Bauernhof erfahren“ Abhilfe schaffen, sagt deren Agrarsprecher André Schaffeld (Rhede): „Wir spüren den Bedarf und wollen da gerne unseren Beitrag leisten.“ Für die kommenden beiden Jahre stellen die Banken über den WLV ein Budget für mindestens 100 Busfahrten zur Verfügung (maximal 200 Euro Zuschuss pro Transport).
Aufmerksam geworden sei Schaffeld auf das Thema bei einer Sitzung des WLV im letzten Herbst, wo Schäpers über das andere große Schulprojekt des Kreisverbandes berichtet hatte, in dessen Zuge Landwirtinnen und Landwirte als Bauernhof-Botschafter in den Unterricht an Schulen in der Region Bocholter Aa kommen.
Sowohl Kinder als auch Lehrer machetn sich beschwingt wieder auf den Rückweg. Andere
können es der Piusschule nachmachen und sich an ihre Landwirte vor Ort oder den WLV Borken wenden.
Zum Thema: Buskostenzuschüsse und Lernort Bauernhof
Früher gab es in fast jeder Klasse noch ein Bauernkind und der Kontakt für einen Besuch auf dem Hof war einfach und naheliegend. Im Zuge des Strukturwandels ist dies immer seltener der Fall. Der WLV vermittelt über sein Projekt „Lernort Bauernhof“ interessierten Lehrern und Erziehern Kontakte zu Bauernhöfen und berät zu geeignetem Unterrichts- und Anschauungsmaterial. Eine praktische Online-Suchfunktion erleichtert die Betriebssuche. Ab sofort haben Schulen auch die Möglichkeit, sichBusfahrten zu Hofbesuchen in einer Höhe von bis zu 200 Euro bezuschussen zu lassen. Infos unter www.wlv.de/lernort-bauernhof-erfahren oder direkt bei Ulrich Schäpers, Tel. 02861/9306-63.
Titelbild: Stephan Wolfert, WLV